Moderne Genetik

Crossing- over

Die freie Kombination der Erbeigenschaften wird durch eine Eigenschaft der Chromosomen eingeschränkt, die von Morgan an der drosophila melanogaster (Frucht- oder Taufliege) näher erforscht und crossing- over genannt wurde. Dabei erfolgt unter Entstehung eines Chiasmas ein Austausch von Chromatidenbruchstücken der gepaarten homologen Chromosomen, so dass Teilstücke des väterlichen Erbgutes im Chromosomen mit mütterlichem Erbgut eingebaut werden und umgekehrt. Da dabei immer ganze Gruppen von Genen übertragen werden, diese also miteinander gekoppelt sind, spricht man von Kopplungsgruppen. Die vollständige Kopplungsgruppe wäre nun ein Chromatid. Zwei Gene einer Kopplungsgruppe können nun mit einer bestimmten prozentualen Häufigkeit aus ihrer bisherigen Kopplungsgruppe gelöst, entkoppelt und ausgetauscht werden. Der Prozentsatz dieser ausgetauschten Gene wird Austauschwert genannt und ist gleichzeitig ein Maß an für den Abstand dieser Gene auf dem Chromosom, auf dem sie linear angeordnet sind (je höher der Austauschwert, desto weiter liegen sie auseinander). Bei manchen Bakterien und Pilzen gibt es noch zusätzlich andere Rekombinationsvorgänge. Bei diesen werden über Plasmabrüche DNA- Stücke oder ganze Plasmide (ringförmige DNA) ausgetauscht.

Geschlechtschromosomengebundene Vererbung

Beim Menschen liegen, wie bei fast allen Lebewesen in den beiden homologen Chromosomensätzen gleiche Chromosomen vor, welche sich in Form, Größe und Gestalt gleichen. Es entstehen so also Chromosomenpaare. Ein einziges Paar fällt aus diesem Rahmen, sie werden x- und y- Chromosom genannt. Bei den meisten Säugetieren sind die weiblichen Säugetiere in Bezug auf die Geschlechtschromosomen homozygot (xx), die männlichen heterozygot (xy).

Die vererbung von Eigenschaften, die durch x- und y- Chromosomen bedingt werden verläuft daher nach der Regel der Rückkreuzung, so dass die Nachkommen im F1 im Verhältnis 1 :1 auftreten. Dies gilt damit natürlich auch für das Auftreten der Geschlechter.

In einigen Fällen kommt es vor, dass Erbeigenschaften vorwiegend bei einem Geschlecht auftreten. Sie sind dann an das Geschlechtschromosom x oder y gebunden und werden daher geschlechtschromosomengebundene Gene genannt.

Es gibt Fälle, bei denen die entstehenden Individuen die Gene für beide Geschlechter in sich tragen (Zwitter). Die ausprägung des Geschlechtes (Phänotyp) wird dann durch Hormone, andere chemische Stoffe oder mechanische Umwelteinflüsse bestimmt. Es gibt auch eine sogenannte phänotypische Geschlechtsbestimmung.

Der Meereswurm Bonellia produziert Larven, die zunächst undifferenziert sind. Freischwimmende Larven entwickeln sich zu Weibchen, Larven, die sich an eine andere Larve am Vorderende festsetzen entwickeln sich zu einem ganz kleinen Männchen, das sein leben lang am Vorderende des Weibchens angeheftet bleibt, keinerlei Verdauungsorgane enthält, sondern lediglich Spermien produziert.

Mutation

Mutationen sind spontan auftretende Veränderungen psychischer und physischer Eigenschaften von Organismen, die ihrerseits wieder konstant und vererbbar sind. Die Mutationen sind grundsätzlich in jeder Zelle möglich. Mutationen entstehen dadurch, dass die Erbsubstanz der DNA (in den Chromosomen) verändert wird, bzw. falsch abgelesen wird. Mutationen werden hervorgerufen, durch:

  1. chemische Faktoren
  2. physikalische Faktoren (jede Art von Strahlung:
    1. elektromagnetische Strahlung
    2. Röntgen- Strahlung
    3. UV- Strahlung
    4. Teilchen- Strahlung (corpuscular)
    5. radioaktive Strahlung
  3. durch endogene Faktoren, d.h. Veränderungen durch Fehler bei der Replikation der DNA und/ oder der Meiose

Es können folgende Mutationsarten auftreten:

  1. Punktmutation
  2. Genmutation
  3. Chromosomenmutation
  4. Genommutation

An Nachkommen vererbt werden nur in der Keimbahn auftretenden Mutationen (Ausnahme: Bei Pflanzen können mutierte Pflanzenteile als Ableger oder Stecklinge vegetativ vermehrt werden). Mutationen können aber auch in Körperzellen auftreten, sie führen zu andersartigem Verhalten dieser Zelle u.a. zu Krebs. In jeder Zelle sind allerdings eine Menge von Reperaturenzymen tätig, die Fehler in der DNA beheben, welche durch endogene oder exogene Faktoren entstanden sind, erkennen und reparieren.

Punktmutation

Punktmutation entstehen durch Strahlung, indem einzelne Corpuscularteilchen einzelne Atome innerhalb der Erbsubstanz ändern und dadurch auch die Base innerhalb der Nukleinsäure. Dadurch wird eine Neuinformation beziehungsweise Fehlinformation hinsichtlich der Ausbildung der Aminosäure hervorgerufen.

Ähnliches gilt für das spontane Fehlen eines Nukleotids auf Grund eines Fehlers bei der Reduplikation.

Genmutation

Sie sind die häufigsten sichtbaren Mutationen und verlaufen:

  1. spontan
  2. zufällig
  3. richtungslos, gilt für alle Mutationen (bedeutet, dass die Richtung, in der sie die Eigenschaften verändern, ebenfalls zufällig ist)

Die meisten Genmutationen sind rezessiv. Sie entstehen durch die oben angegebenen Einflüsse. Heute zählt man Punktmutationen ebenfalls zur Genmutation, es können aber auch ganze Abschnitte eines Gens von Chemikalien angegriffen und blockiert werden. Ebenso können Teilabschnitte eines Gens während der Meiose beim crossing- over verloren gehen.

Sind durch Genmutation unterschiedliche Eigenschaften entstanden, die ein und das selbe Merkmal betreffen, so nennt man diese Allele. Sind im Laufe der Evolution mehr als zwei Allele entstanden, spricht man von multiplen Allelen. Treten bei Genmutationen Eigenschaften auf, die das Lebewesen sehr stark behindern, oder sogar am Leben hindern (Ausfall eines Enzyms) spricht man von Letalfaktoren.

Chromosomenmutation

Chromosomenmutationen sind Mutationen an Strukturen einiger Chromosomen, wobei meist ganze Kopplungsgruppen betroffen sind. Es gibt folgende vier unterschiedliche Chromosomenmutationen:

  1. Deletion
  2. Duplikation
  3. Translokation
  4. Inversion
Deletion

Dabei werden Teilstücke von Chromosomen durch die während der Meiose wirkenden Zug-, Druck- und Hebekräfte herausgebrochen und nicht wieder an ein Chromosom (homolog) angefügt. Sie verschwinden im Kernplasma, werden aufgelöst und gehen während des Erbgangs verloren. Sie können aber auch an ein anderes Chromatid angeheftet werden (siehe Duplikation).

Duplikation

Wie aus a) hervorgeht, kann ein aus einem anderen Chromatid herausgebrochenes Genstück an ein anderes Chromatid, welches das Teilstück noch besitzt, angehängt werden. Die Eigenschaften dieses doppelten Teilstücks werden aber nicht abgelesen, weil bereits der Ort an dem ein Gen oder eine Endgruppe am Chromosom sitzt für die Ablesung von entscheidender Bedeutung ist.

Translokation

Hierbei werden herausgebrochene Teilstücke an anderen Stellen im selben oder anderen Chromatid angeheftet. Auch hierbei geht nun die Information verloren.

Inversion

Ähnliches gilt für die Inversion, bei der aus dem Chromosomen herausgebrochenes Teilstück in umgekehrter Weise an der selben Stelle wieder eingebaut wird. Gelegentlich werden hier aber Teile davon abgelesen.

Genommutation

Bei der Genommutation werden ganze Chromosomensätze oder die Anzahl einzelner bestimmter Chromosomen verändert. Diese Mutation tritt auf, wenn man während der Meiose die Chromosomenpaare nicht regelmäßig getrennt werden, sondern als Chromosomenpakete in die eine oder andere Nachfolgezelle gebracht werden. Während die eine Nachfolgezelle die entsprechenden Chromosomen zu viel hat, fehlen sie in der anderen Zelle. Man bezeichnet diese Nichttrennung während der ersten Reifeteilung als Non- Disjunktion. Betrifft diese Non- Disjunktion nur einzelne Chromosomen spricht man von Aneuploidie, betrifft es den gesamten Chromosomensatz spricht man von Euploidie. Tritt dabei ein Vielfaches des diploiden Chromosomensatzes auf, spricht man von Polyploidie. Weisen sowohl väterliche und mütterliche Keimzellen den gleichen polyploiden Chromosomensatzes auf, spricht man von Alloploydie. In diesem Fall sind die Nachkommen wieder fortpflanzungsfähig. Man kann Polyploidie künstlich durch das Gift der Herbstzeitlosen, das Colchizin, hervorrufen.

Modifikation

Bei vielen körperlichen Merkmalen kann man feststellen, dass bei wechselnden Umweltbedingungen und Einflüssen unterschiedliche Ausprägungen des selben Gengutes vorliegen. Viele Erbanlagen können also durch äußere Einflüsse innerhalb gewisser Grenzen abgeändert (variiert) werden. Der Raum innerhalb dieser Grenzen ist genetisch festgelegt und heißt Variationsbreite bzw. Modifikationsbreite. Die Übergänge zwischen den Abstufungen eines Moleküls können fließend sein, kontinuierliche Modifikabilität oder Variabilität. Sie können daher auch bei bestimmten Einflüssen sprunghaft eintreten (Umschlagende oder diskontinuierliche Variabilität oder Modifikabilität.

  1. Beispiel: (kontinuierliche)
  2. Ein Klon vom Pantoffeltierchen weist Tiere mit unterschiedlicher Körpergröße, welche der Gauschen Verteilungsgruppe folgen, trotz gleichen Erbgutes auf.

  3. Beispiel: (diskontinuierliche)
  4. Schneehase: Die Umfärbung des Haarkleides kann unabhängig von Sommer und Winter durch künstlich Herab- oder Heraufsetzung der Temperatur ausgelöst werden.

    Chinesische Primel blüht bei Temperatur unter 30°C rot über 30°C weiß.

Neben den äußeren Einflüssen spielen auch endogene (innere) Einflüsse, wie Hormone, Sekrete, Stoffwechselkrankheiten, Vitaminmangel bei der Modifikation der Erbanlagen. Zu Untersuchungen der Modifikationen benutzt man Lebewesen mit eindeutig einheitlichem Erbmaterial, also Klone, deren völlig erbgleiche Individuen durch vegetative Vermehrung aus einem einzigen Lebewesen hervorgegangen sind.

Aus all diesen Untersuchungen ergab sich: Modifikationen sind nicht erblich.
Vererbt wird nur die Variationsbreite eines Merkmals.

Molekulare Grundlage der Vererbung

Die materielle Basis aller Gene und damit der Chromosomen ist die DNA. In einigen wenigen Fällen dient auch die RNA als Erbsubstanz. Die wichtigsten Grundlagen der Vererbungstechnik waren Bakterien und Viren, an denen die grundsätzlichen Gesetze der molekularen Erbzusammenhänge erforscht wurden. Diese haben folgende Vorteile:

  1. Sie lassen sich mit wenig Aufwand auf kleinem Raum in großen Mengen produzieren (statistisch signifikante Mengen).
  2. Sie haben eine sehr kurze Generationsdauer (im günstigsten Fall 20 - 30 min.
  3. Sie sind haploid, d.h. Ein En wirkt sofort (insbesondere ein mutiertes), weil kein zweites Allel vorhanden ist, dass das mutierte in seiner Wirkung überdecken könnte.
  4. Gene können (bei Bakterien) von einem Individuum auf das andere übertragen werden, so dass eine Rekombination der Gene möglich ist.
  5. Bakterien besitzen mit den ringförmigen Plasmiden Genträger mit nur wenig Genen und der Eigenschaft leicht isolierbar zu sein und auf andere Bakterien leicht übertragbar zu sein (Genfähre)
  6. Auch Viren können als Genfähren dienen.